Seit Ende Juli läuft bei Amazon Prime die Serie PAPER GIRLS und entwickelt sich dort so langsam aber sicher zum Geheimtipp. Manchmal halbherzig, mit einer bekannten 80er-Jahre-Serie verglichen, hat PAPER GIRLS doch eigentlich seine ganz eigene Dynamik. Und wer die Serie auch nur ansatzweise spannend fand, dem empfehle ich nun aus vollster Überzeugung: lest die Graphic Novel, auf der sie basiert!
Darum geht’s in PAPER GIRLS
Bei den PAPER GIRLS handelt es sich um vier Mädchen, die in einem amerikanischen Vorort im Jahre 1988, ausgestattet mit Walkie-Talkies, Tageszeitungen an Haushalte ausliefern. Wie es sich für selbstbewusste Teenie-Mädels gehört, möchten sie eines dieser Walkie-Talkies natürlich wieder zurückerobern, als es ihnen ausgerechnet in der Nacht nach Halloween von einer mysteriösen Gestalt entwendet wird. Doch schon bald müssen sie feststellen, dass in ihrer Kleinstadt Dinge vor sich gehen, die ihre bis dahin bekannte Vorstellungskraft weit übersteigt.
Ausgezeichnet mit den Eisner-Awards 2016 als „Beste Neue Serie“ und Cliff Chiang als „Bester Zeichner“. In Deutschland ist PAPER GIRLS im Cross-Cult Verlag erschienen. Dort findet ihr die Story entweder in 6 Einzelbänden oder seit kurzem auch in einem 800-Seiten-starken Gesamtband!
Meine Review
Wer die Serie zuerst gesehen hat, erkennt das Gefühl vielleicht wieder: lange Zeit versteht man erstmal nur Bahnhof. Das ist in der Graphic Novel zu PAPER GIRLS streckenweise noch viel stärker so. Komische Träume, wirre Zitate zum Kapitelbeginn, ein unklarer Krieg – zwischen wem jetzt eigentlich und warum? Und dazwischen: vier Vorstadtmädchen, die einfach nur in Ruhe nach Hause wollen.
Dass es hier um Zeitreisen und damit tiefstes Sci-Fi Metier geht, macht der Comic sogar noch wesentlich deutlicher. Nicht allein durch die wesentlich prägnanter auftauchenden Quetzalcoatl. Aber trotz der ganzen abgefahrenen Tech-Gadgets, Zeitsprünge, Dinos und Co. holen uns die vier Protagonistinnen stets eiskalt auf den Boden zurück. Denn Sci-Fi ist hier vor allem eins: Hintergrundrauschen. Im Kern steht das Erwachsenwerden mit all seinen Tücken.
Nicht nur, treffen hier Mädchen, die mit 12 Jahren praktisch vor der Pubertät stehen, und noch voller Träume und Visionen sind, auf ihre komplett ernüchterten Erwachsenen-Ichs. Nein, es geht noch viel bodenständiger: diese Zeitreisenden bekommen mitten in einem Sci-Fi-Plot einfach mal so ihre Tage! Und entdecken Dinge über sich selbst, die sie zuweilen erschrecken, und sie lernen dazu und und und.
Alt Vs. Jung
Der Fokus aufs Erwachsenwerden könnte bereits so schon nicht deutlicher sein. Aber der durch Serien wie Lost, und Y: The Last Man, bekannte Autor Brian K. Vaughan setzt noch einen darauf. Und so kristallisiert sich zunehmend heraus, dass der Krieg, um den es hier geht, in erster Linie ein Krieg zwischen den Alten und den Jungen ist. Ein Krieg zwischen „das haben wir schon immer so gemacht“ und „lasst uns was verändern“.
Leider kann/darf/will ich hier nicht mehr spoilern, um euch die Freude beim Lesen nicht zu nehmen. Aber soviel sei verraten: zu Ende ergibt alles Sinn! Denn jeder noch so verworrene Traum setzt sich schlussendlich zu einem kompletten Puzzle zusammen. Die Graphic Novel PAPER GIRLS ist dabei storytechnisch so unfassbar gut aufgebaut, dass man stets genug Informationen hat um weiterlesen zu wollen, aber zu wenig um schon alles zu verstehen. Doch das Bild verdichtet sich, und belohnt so den Leser für jede einzelne Seite.
Mein Fazit zu PAPER GIRLS
PAPER GIRLS ist eine wilde Reise vom Mesozoikum bis in die späteste Zukunft, mit kurzem Umweg über die vierte Dimension. Auf der Reise wird man verwirrt, entwirrt, belohnt und berührt. Ebenso wie sie sich selbst kennenlernen, lernen wir Mac, Erin, KJ und Tiff kennen und lieben.
Übrigens: der halbherzige Vergleich mit Stranger Things, den einige Medien gerne zur Serie fällten, nur weil sie (anfangs!) in den 80ern spielt, ist komplett ungerechtfertigt. Denn einerseits verlässt die Serie die 80er relativ schnell, anderseits ist der Fokus gänzlich anders. In Paper Girls stehen die Charaktere im Mittelpunkt. Wenn man zwangsläufig einen Serien-Vergleich heranziehen möchte, so sehe ich Loki deutlich näher (Zeitreisen / Korrektur jener).
Gute Sciene-Fiction nutzt meistens ein technisch/wissenschaftliche Entwicklung, um uns das, was uns direkt vor uns liegt, mit etwas künstlichem Abstand besser betrachten zu können. Das macht PAPER GIRLS par excellence! Bleibt nur zu sagen: 10 von 10 Punkte!
Übrigens: wer nun auch in den Genuss kommen will, für den halten wir da demnächst ein Gewinnspiel parat!
Und wer wissen will, wie wir die Serie fanden, der kann sich hier unseren Podcast zu Gemüte führen.
Bildrechte: © Cliff Chiang / CrossCult Verlag