Von Christian Schmidt
Willkommen zu Hause, Spider-Man! Die große Wiedersehensparty hat ja schon in Captain America: Civil War stattgefunden und wir haben aus den letzten beiden Spider-Man-Filmreihen noch ziemlich gut in Erinnerung, wie die Sache mit der radioaktiven (genetisch veränderten?) Spinne lief. Jetzt, wo diese ganze „aus großer Kraft folgt große Verantwortung“-Lektion aus dem Weg ist, kann man sich ja mal auf etwas Neues konzentrieren. Oder?
Natürlich ist nicht alles am neuen Spider-Man wirklich neu. Der Film holt uns gleich am Anfang ziemlich schnell in die uns vertraute Marvel-Welt zurück – aber das ziemlich clever.
Dass persönliche Identitätskrisen mit katastrophalen Folgen (Avengers: Age of Ultron) und weitreichende politische Konflikte (Captain America: The Winter Soldier; Captain America: Civil War) nicht ausbleiben, wenn feindlich gesinnte Aliens aus einem Riss im Raum/Zeit-Gefüge auf die Erde herabströmen, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Solch ein Ereignis hätte aber nicht nur Auswirkungen auf das Schicksal der Welt und riefe zahlreiche neue Superschurken auf den Plan, sondern würde auch dafür sorgen, dass geschäftstüchtige Kleinkriminelle neue Nischen für sich entdeckten. Und genau auf dieser Ebene setzt der neue Film an: Adrian Toomes (Michael Keaton), oder „this Vulture Guy“, wie wir ihn später nennen werden, führt ein Entsorgungsunternehmen und ist darauf spezialisiert, den Bauschutt wegzuräumen, der bei der Alien-Invasion im ersten Avengers-Film angefallen ist. Als er kurzerhand gefeuert wird, weil ein Sub-Unternehmen von Tony Stark selbst die Sache in die Hand nimmt, spezialisiert er sich darauf, aus den übriggebliebenen außerirdischen Artefakten innovative Gadgets für Raubüberfälle zu basteln und an Kriminelle zu verscherbeln. Als Spider-Man der Sache auf die Spur kommt, ist Ärger vorprogrammiert – und der fällt, nicht zuletzt dank eines von Tony Stark persönlich verbesserten Spinnenanzugs, auch ziemlich spektakulär aus. Dabei ist aber gerade die Tatsache, dass hier ausnahmsweise mal nicht ganze Straßenzüge in Schutt und Asche gelegt werden oder gleich die Zukunft des Universums auf dem Spiel steht, außerordentlich erfrischend.
Der Konflikt zwischen dem Geier und Spider-Man ist hier letztendlich das Vehikel für eine persönliche Geschichte, in der ein überambitionierter Jugendlicher (der eben zufällig Spinnenkräfte hat) versucht, in die Fußstapfen seiner großen Vorbilder zu treten. Der Fokus liegt damit also voll und ganz auf Spider-Mans Alter Ego Peter Parker – diesmal vom Briten Tom Holland als sympathischer Wissenschaftsnerd mit Physik-T-Shirts gespielt – der mit den Anforderungen der High School klarkommen muss und in seiner Freizeit mit seinem besten Kumpel Star Wars-Lego zusammenbastelt. Durch diese Rahmung, in der den klassischen High School-Filme von John Hughes (Breakfast Club, Ferris Bueller’s Day Off) immer wieder Tribut gezollt wird, wirkt Tom Holland so natürlich wie ein Fisch im Wasser. Im Gegensatz zu Andrew Garfield, der seinen Spinnenmann zuletzt als rebellisch-exzentrischen Außenseiter samt iPod und Skateboard verkörperte, ist Holland damit wieder ein Stück bei der sensiblen Darstellung von Tobey Maguire angekommen, der sein Herz aus Gold nicht nur für seine Heimatstadt New York, sondern vor allem für seine Tante May und seine Geliebte Mary-Jane immer wieder aufs Spiel setzte.
Es hilft der Figur dabei ungemein, dass Holland nicht nur voll und ganz seinen jugendlichen Charme ausspielen darf, sondern vor allem auch gezeigt wird, wie der Nachwuchsheld bei aller überschlagener Motivation sich mitunter derartig unbeholfen von Hauswand zu Vorgarten schwingt, dass vermutlich einige Kinozuschauer entnervt die Augen verdrehen werden. Kinogänger, die jedoch schon lange die Nase voll von triefendem Superhelden-Pathos und der Produktion von Endzeit-Szenarios am Fließband haben, werden sich aber gerade aus diesem Grund über einen unkonventionellen Superhelden freuen können. Es macht jedenfalls viel Spaß, wenn die „freundliche Spinne aus der Nachbarschaft“ ihrem Beinamen alle Ehre macht und nicht nur Fahrraddiebe an Spinnenfäden hochzieht, sondern auch mal eine Katze aus einem brennendem Ladengeschäft rettet.
Darüber hinaus ist der Film auch handwerklich einfach toll gemacht. Was bereits erzählt wurde, aber für die Story und die Figurenentwicklung wichtig ist, wird clever wieder in Erinnerung gerufen: So schließt die Handlung unmittelbar an die Ereignisse in Civil War an, in der uns Einblicke in Peter Parkers Videotagebuch die Dinge noch einmal aus seiner subjektiven Perspektive erzählen. Der emotionale Konflikt zwischen Peter und seinem Onkel Ben, der hier schon lange in der Vergangenheit liegt, wird durch seinen Mentor und quasi-Ersatzvater Tony Stark ersetzt – und glaubhaft inszeniert, wenn etwa Peters Bedürfnis nach Anerkennung durch die Kommunikation mit einem ferngesteuerten Iron-Man Anzug buchstäblich ins Leere läuft. Und zu guter Letzt sorgt ein Plot-Twist im dritten Akt des Films, den man eigentlich hätte kommen sehen müssen, hier vollkommen mühelos für Erstaunen und bringt noch einmal einen ganz neuen Schwung in die Dramaturgie des Films.
Fazit
„Spiderman: Homecoming“ ist damit nicht nur eine gelungene, angenehm farbenfrohe Wiedersehensfeier mit dem Charme einer gut gemachten Coming-Of-Age/High School-Komödie, sondern auch ein weiteres Puzzleteil im Marvel Cinematic Universe, das mal wieder unter Beweis stellt, wie organisch neue Genre-Episoden in ihm zusammenwachsen können. Ich bin gespannt, wie die bislang nur angeteaserten Bestandteile des klassischen Spider-Man-Kanons in den nächsten Episoden hinzukommen werden und werfe mich schon mal für die nächste Homecoming-Episode in Schale!
Fazit: 9/10 Punkte – den Bonuspunkt gibt es für eine hervorragende Orchesterversion des klassischen Spider-Man-Themes aus der Cartoonserie der 1970er Jahre und eine Post-Credits-Scene, die Deadpool vor Neid erblassen lassen würde.