REVIEW: „DEPORTATION CLASS“ (Starttermin: 1. Juni 2017 im Verleih von Pier 53)

Kurzinhalt

DEPORTATION CLASS zeichnet erstmals ein umfassendes Bild von Abschiebungen in Deutschland: Von der detaillierten Planung einer Sammelabschiebung über den nächtlichen Großeinsatz in den Unterkünften der Asylbewerber bis zu ihrer Ankunft im Heimatland und der Frage, was sie dort erwartet. Nach Monaten der Vorbereitung hatten die Regisseure Carsten Rau und Hauke Wendler, die zu diesem Thema bereits den mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm „Wadim“ (2011) realisierten, die Möglichkeit in Mecklenburg-Vorpommern eine Sammelabschiebung zu filmen.

Dabei wurden 200 Asylbewerber nach Albanien ausgeflogen: Hochaktuelle, bewegende, teils schockierende Bilder, die in Deutschland so noch nicht zu sehen waren. Zum Teil mit drei Kamerateams parallel gedreht, zeichnet DEPORTATION CLASS nicht nur ein präzises, sehr nüchternes Bild dieser staatlichen Zwangsmaßnahmen. Der Film gibt auch denjenigen ein Gesicht, eine Stimme und damit auch ihre Würde zurück, die in den Nachrichten nicht zu Wort kommen: Menschen wie Gezim, der in Deutschland auf eine bessere Zukunft für seine Kinder hoffte. Oder die Familie von Elidor und Angjela, die vor der Blutrache fliehen musste und nach der Abschiebung in Albanien ins Bodenlose stürzt.

Fazit

Aus der mit dem Grimme Preis ausgezeichneten Dokumentation “45 Minuten – Protokoll einer Abschiebung” vom mehrfach ausgezeichneten Fernsehjournalisten Hauke Wendler entstand der nun vorliegende Dokumentarfilm DEPORTATION CLASS. Im Gegensatz zur Dokumentation, rückt im Film die Perspektive der Flüchtlinge mehr ins Zentrum, sie bekommen Gesichter und Namen, ihre sonst eher schemenhaften Schicksale werden greifbar.

Mir fällt es als Freiwillige, die seit über zwei Jahren in der Flüchtlingshilfe tätig ist, unglaublich schwer hier nicht Partei zu ergreifen – und rein sachlich zu kommentieren. Zu kritisch sehe ich den von der Politik immer wieder gerne benutzten Begriff “Sicheres Herkunftsland”, zudem ist die Umsetzung in der Praxis, wie sie in der Dokumentation schonungslos gezeigt wird, oft menschenunwürdig und respektlos.

Gesetzeslage hin oder her. Vor allem der hier involvierte Politiker entlarvt sich und seine Politik selbst – genauso wie der distanzierte Einsatz der Polizei, die nach eigenen Aussagen, „nur Ihren Job machen“, wirft für mich Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf. Warum ist bei der Abholung der betroffenen Personen kein Dolmetscher dabei? Was ist mit denen, die erwiesenermaßen im Heimatland verfolgt werden und die trotz akuter Todesdrohungen abgeschoben werden? Gesetzeslage ist das eine, die Art und Weise, wie man sie umsetzt, das andere.

Fazit: Sehr guter Dokumentarfilm, der neben der gebotenen Sachlichkeit auch die betroffenen Menschen zu Wort kommen lässt und somit der Empathie ein wenig Raum einräumt. 10/10 Punkten

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