Nach jahrelangen Recherchen kehrt Ulli Lust mit ihrem groß angelegten Sachcomic über die Anfänge der Kunst und die Bedeutung der Empathie für das Überleben unserer Spezies zurück: Rund um die weiblichen Figuren entfaltet sich eine vergessene Welt.
Sie sammelt. Sie jagt!
Die Frau als Mensch bewegt sich als Sachcomic zwischen Geschichte, Archäologie und Feminismus. Er lässt die von Männern gemachte Geschichte links liegen, bricht mit Vorurteilen und ordnet alles neu. Laut Ulli Lust ist die Theorie vom Mann als Jäger und der Frau als Sammlerin längst überholt, denn: Die Frau war größer als heute. Skelette, die damals gefunden wurden, konnten beiden Geschlechtern zugeordnet werden. Das heißt praktisch: Alle haben alles gemacht.
Auch der Begriff des Patriarchats ist (natürlich) eine Erfindung der Neuzeit. Der Status der Frau war in Anbeginn der Zeit ein ganz anderer. Forscher*innen haben vor 40.000 Jahren, lange vor dem Ende der Kaltzeit und noch länger vor der Erfindung der Schrift, die erste Statue gefunden, die – wer errät es? Eine weibliche Form hatte.
Vergleichbare männliche Figuren tauchten erst rund 30.000 Jahre später auf. Na und? Wie kann das sein? Man könnte munkeln, dass männliche Körper anatomisch komplizierter sind, dass Frauen gechickter mit Händen waren und sich selbst darstellten oder dass Frauen schon damals verehrungswürdige Wesen waren und heute noch sind.
Bildrechte: © Ulli Lust / Reprodukt Verlag
Affe ist nicht gleich Affe
Neben der Erklärung von Statuen, Leichen und Mythen, die schon sehr lange tief unter der Erde begraben sind, lehrt uns Die Frau als Mensch auch, wie das soziale Verhalten damals im Vergleich zu heute war. Von vergleichbaren Verhaltensweisen und Unterschieden unserer Artvorfahren, den Schimpansen und Bonobos. Spoileralarm: Beide sind grundverschieden. Denn Affe ist nicht gleich Affe und der Menschenaffe ist immer noch eine ganz besondere Spezies…
Bildrechte: © Ulli Lust / Reprodukt Verlag
Besonders aufrüttelnd ist der Umgang mit anderen Kulturen. Als Beispiel dient die beeindruckende und erschreckende Realität der Khoisan Buschleute in Botswana.
Hervorzuheben sind die detailreichen Zeichnungen, die informativ und humorvoll sind.
Sie zeigen, das Geschichte nicht nur in verstaubten Büchern mit einem Wall of Text vermittelt werden kann. Allerdings gibt es hier keine durchgehende Geschichte, sondern eher kleine Einschübe, die zur Verdeutlichung der Sachverhalte dienen. Ansonsten hat die Darstellung eher informativer Charakter.
Bildrechte: © Ulli Lust / Reprodukt Verlag
Mein Fazit
Informativ as hell zeigt Ulli Lust, dass es durchaus Sinn macht, die alten Theorien zu überdenken.
Dass das Patriarchat Mist ist, wussten wir schon lange, aber hier sieht man, wie es lange ohne ging. Damals war alles besser, oder?
Die Frau als Mensch liest sich als Sachcomic nicht leicht, man muss schon Lust darauf haben. An manchen Stellen ist mir das Buch zu sehr vom Weg abgekommen und ich habe mich beim Lesen etwas verloren. Wenn man einige eher trockene Passagen durchhält, wird man reichlich belohnt.
Ich gebe deshalb
07 von 10 Punkten
Die Frau als Mensch von Ulli Lust erschien beim Reprodukt Verlag für 29 Euro und ist überall da erhältlich, wo es was zum Schmökern gibt!
Bildrechte: © Ulli Lust / Reprodukt Verlag