Ab dem 26. August 2022 könnt ihr in der ARD Mediathek die britische Kurzserie NUR FÜR ERWACHSENE (OT: ADULT MATERIAL) sehen. Die Serie lief ursprünglich bereits 2020 in UK und war in Deutschland zuerst im Mai 2021 bei TV Now zu sehen. In 4 Folgen bekommt man hier einen kleinen Einblick in einen Bereich der britischen Porno-Industrie.
Triggerwarnung: Die Serie enthält Darstellungen von Sex und sexualisierter Gewalt,
Zum Inhalt von NUR FÜR ERWACHSENE
Hayley Squires spielt in NUR FÜR ERWACHSENE als unkonventionelle Heldin eine Pornodarstellerin, die sich mutig mit der milliardenschweren Branche anlegt. Für ihre grandiose Leistung in der Rolle erhielt die britische Charakterschauspielerin, hierzulande bekannt durch Ken Loachs Cannes-Gewinner „Ich, Daniel Blake“, den International Emmy-Award als beste Darstellerin. Ihre mutige Auflehnung gegen kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, gesellschaftlich geduldeten Machtmissbrauch und die eigenen Ohnmachtsgefühle steht in der besten Tradition britischer Sozialdramen. Die Serie zeigt – vom Drehbuch über die Kamera bis zur Regie – konsequent eine weibliche Perspektive auf die von Männern dominierte Pornoindustrie.
The Female Gaze
Zunächst zum Positiven: Durch das komplett weibliche Team hinter NUR FÜR ERWACHSENE wird eine Industrie, in der lange Zeit der männliche Blick der einzige war, der zählte, durch weibliche Augen erzählt. In den meisten Pornos sieht man auch heute noch in erster Linie männliche Fantasien. Diese Fantasien formen dabei die Sexualität der Zuschauer entscheidend mit. Gerade in den klassischen Studio-Pornos, wie sie in der Serie produziert werden, wird ein hochpoliertes Bild von „perfekten“ Körpern, klinischer Sterilität und surrealen Fuckfaces gezeichnet.
Glücklicherweise ist die Pornoindustrie mittlerweile in einem langsamen Wandel, welcher mehr Authentizität, aber auch mehr Vielfalt zulässt. Eine Serie über die Pornoindustrie, geschaffen von einem rein weiblichen Team ist also in jedem Fall schon mal ein guter Schritt. Insbesondere da es inhaltlich um verschwimmende Grenzen von Konsens geht. Da kennen wir uns traditionell ein wenig aus.
Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Serie weder vollkommen das Bild der unfreiwilligen Sexarbeit bestärkt, noch Sexarbeit übermäßig glorifiziert. Stattdessen sieht man etwas durchaus realitätsnahes: eine Mutter, die Spaß an Sex und ihrem Beruf hat. Die aber durchaus auch dessen Schattenseiten kennt. Die versucht Branchenneulinge aufzuklären und über die möglichen Folgen ihres Handelns zu beraten.
Worüber ich mich jedoch noch mehr gefreut hätte, wäre, wenn bei Projekten, die Sexarbeit und Pornografie betreffen, BranchevertreterInnen nicht nur mal eben als BeraterInnen vorbeischnuppern, sondern als essenzieller Bestandteil des Teams fungieren würden. Immerhin hat Lucy Kirkwood, Autorin von NUR FÜR ERWACHSENE, einige Jahre mit Recherchen zur britischen Pornoindustrie zugebracht. Trotzdem gab es da Aspekte dir mir negativ aufstießen.
Das Stigma der Traumatisierten
NUR FÜR ERWACHSENE ist in meinen Augen in erster Linie eine Unterhaltungsserie. Es ist eine der besseren, da sie sich durchaus traut unbequeme Themen anzusprechen. Die Serie und die Darsteller sind dabei nicht immer schön und poliert und wie Happy das End ist, müsst ihr selber sehen. Aber der Kampf der armen Mutter aus dem Porn-Biz gegen die Evil Corporations hat für mich am Ende mehr von Erin Brokovich als Realität.
Und das ist ok. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt und was man erwartet. Wenn man Unterhaltung erwartet, wird man unterhalten. Doch Menschen, welche die Pornoindustrie, und im weiteren Sinne Sexarbeit, ohnehin schon verteufelten, werden hier leider weiteren Stoff finden, um ihr Weltbild zu untermauern. Zwar macht Jolene zunächst einen glücklichen Eindruck und scheint vollkommen Herrin ihrer Taten zu sein, doch zeigt sich nach und nach welche kindlichen Traumata ihr Verhältnis zu Sexualität prägten. Wer da nicht auf die Idee kommt, dass sie so in die Sexarbeit „abrutschte“ werfe den ersten Stein.
Und dieses Bild zieht sich bedauerlicherweise durch. Nahezu jede Person, die hier in der Industrie tätig ist, wird als gebrochene Person gezeigt. Selbstverständlich nehmen „die“ auch alle Drogen. Wie sollte es auch anders sein. Koks und Nutten halt.
Mein Fazit
Ich bin hin- und hergerissen, ob ich die Serie NUR FÜR ERWACHSENE empfehlen kann oder nicht. Wie gesagt handelt es sich durchaus um gute Unterhaltung, welche glücklicherweise durch britische(!) Frauen(!) produziert wurde. Dennoch hätte ich mir, gerade deswegen an manchen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht. Beispielsweise werden an 1–2 Stellen auch Hierarchie und Rassismus innerhalb der Sexarbeit ganz seicht angeschnitten – nur um dann wieder fallen gelassen zu werden.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster heraus und gebe NUR FÜR ERWACHSENE 6 von 10 Punkten.
Guter Ansatz, stets bemüht, setzen Sex.
Bildrechte: © Fifty Fathoms Produktion / ARD Mediathek