Wo fängt Leben an, wo hört es auf? Dieser Kernfrage widmet sich die Graphic Novel DEEP ME vom französischen Künstler Marc-Antoine Mathieu. Die überwiegend in schlichtem, aber eindrucksvollem Schwarz gehaltene Story nimmt euch mit auf eine Reise in das Innere eines Geistes, der nicht stillstehen kann.
Darum geht es in DEEP ME
Adam! Die erste Information, die ihm gegeben wird, als er wieder zu Bewusstsein kommt, ist ein Name. Ist es sein Name? Er versucht, sich mitzuteilen, aber niemand hört ihn. Und wer sind diese Leute? Sind es Ärzte, Polizisten, seine Frau? Umgeben von einer tiefen Schwärze schläft sein Geist ein und wacht in regelmäßigen Abständen wieder auf… Da ist dieses Bild, das sich abzeichnet, wenn ein bestimmtes Wort genannt wird: Finsternis. Er kann es noch nicht richtig greifen…
Ebenso unterhaltsam wie intelligent setzt sich Marc-Antoine Mathieu in seinen Arbeiten mit den vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten des Comics auseinander und lotet dabei immer wieder neu die wechselseitige Beziehung von Form und Inhalt aus.
Ein erster Gedanke… oder ein letzter?
Dunkelheit. Das ist das Erste, was man aufnimmt, wenn man in DEEP ME eintaucht. Von Einband bis Farbschnitt. Alles ist schwarz. Die erste Seite? Schwarz. Doch dann reißt einen ein Zitat aus der Finsternis: „Das Denken ist eine der Daseinsformen von Materie.“ So startet das Buch und lässt seine Leser noch so einige Seiten weiterhin im geistigen Dunkel. Worum geht es hier eigentlich? Wer ist Adam?
Insbesondere durch die auffällige Namensgebung wird man streckenweise weiter hinab in die Verwirrung geführt. Geht es hier wirklich um einen komatösen Patienten und dessen Bewusstsein, oder etwa nicht? Ist Adam ein Pilotprojekt einer wissenschaftlichen Forschung? Ein autonom denkende KI? Man erfährt es erst spät und ich möchte hier nichts vorwegnehmen. Aber der Schritt, den beziehungsweise die Leser:in so lange im Dunkeln stehenzulassen, ist gleichsam bewusstes Stilmittel als auch mutig.
Starker Spannungsaufbau dank totaler Unklarheit
Trotz extrem sparsamer Informationen und anfänglich auch buchstäblich sparsamer Bilder fragt man sich mehr und mehr, was zu Bums hier bitte abgeht. Lesen wir einen Thriller, eine Sci-Fi- oder eine Horror-Geschichte? Kann der Typ überhaupt zeichnen oder macht er nur schwarze Panels? Die 120 Seiten sind auf Grund der sparsamen Texte zwar schnell gelesen, doch die bereits investierte Zeit will man mit einem Ergebnis entlohnen.
Und dieses Ergebnis belohnt auf jeden Fall. Es ist mehr als die Klärung einiger aufgeworfener Fragen, es ist Aufklärung in Reinform. Die letzten Seiten sind dabei geprägt von der philosophischen Grundfrage: Was ist Leben? Reicht ein denkendes Instrument, um als lebendig zu gelten oder ist ein kohlenstoffbasierter Bewegungsapparat Pflichtprogramm?
Wer bereit ist, für einen eindringlichen Mindfuck der zum Denken anregt, der sollte DEEP ME unbedingt lesen!
Ich gebe starke 10 von 10 Punkten!
DEEP ME von Marc-Antoine Mathieu erschien im Reprodukt Verlag und ist für 23 Euro überall da erhältlich, wo es was zum Schmökern gibt!
Bildrechte: © Marc-Antoine Mathieu / Reprodukt Verlag
