Getrennte Eltern, Kinder, neue Partner:innen, fertige Geschwister… Patchwork-Familien. Eigentlich toll, dass wir mittlerweile in einer Zeit leben, in der sich Menschen nicht mehr zwingen in einem sozial erzwungenen Status Quo zu verweilen. Einer Zeit, in der Familien sich so finden können, dass alle glücklich sind. Alle? Wirklich alle? Antonia Kühn hinterfragt in ihrer Graphic Novel AUFBLASBARE ELTERN, ob dieser Spagat wirklich machbar ist.
Darum geht es in AUFBLASBARE ELTERN
Familientherapien und Ratgeberbücher empfehlen eine klare Struktur für Trennungskinder. Das wünscht sich auch Nora: Klarheit schaffen und einfach mal was abhaken können. Stattdessen scheinen ihr die Dinge immer weiter zu entgleiten, während sie versucht, ALLES wieder ins Lot zu bringen.
Eine wichtige Rolle übernimmt in der neuen Konstellation das kleine Schiff von Noras neuem Partner. An Bord muss die neue Familie als Mannschaft zusammenhalten und zusammen handeln. Doch auch hier zeigen Witterung und Pannen Nora klare Grenzen zwischen Vorstellung und Realität auf. Wenn sie doch bloß ab und zu mal einen Außenbordmotor anwerfen könnte, der ihr etwas Schwung oder eine genaue Richtung gibt! Da platzt plötzlich eine neue Stimme in Noras Grübelei.
Fertige Geschwister
Wenn sich Eltern trennen, dann sind Kinder in den wenigsten Fällen begeistert. Das liegt vor allem daran, dass Kinder noch eine recht eingeschränkte Weltsicht haben. Und ein sehr wichtiger Teil dieser Welt scheint zu zerbrechen. Dass dieses Zerbrechen die mentale Gesundheit von mindestens einem, wenn nicht sogar beiden Elternteilen kittet, spielt in dieser Weltsicht noch keine Rolle. Dabei kann bei etwas Neuem auch etwas Gutes entstehen. Weniger schlecht gelaunte Eltern, zum Beispiel, oder auch neue, fertige, Geschwister.
Trotzdem ist da natürlich dieser Struggle – für alle Beteiligten. Wer ist jetzt meine Familie, wo liegen meine Prioritäten und wie bringe ich alle Parteien unter einen Hut? Die Protagonistin Nora lebt genau in diesem Zwiespalt. Zum Glück verstehen sie und ihr Ex-Partner sich wenigstens gut und haben das Interesse des gemeinsamen Kindes als oberste Priorität.
Doch auch der neue Partner hat Interessen. Und ein Kind. Die Schwierigkeiten dabei, diese alte und die neue Familie miteinander zu vereinbaren, stehen im Kern von AUFBLASBARE ELTERN.
Fazit
Die einfühlsame Familiengeschichte zeigt nicht nur den Struggle, sondern auf gewisse Weise auch eine Utopie. Denn Kommunikation und Fokus aufs Kind sind leider nicht der Standard in vielen Trennungsszenarien. Für wen ist AUFBLASBARE ELTERN also da? Ich sage: trotzdem für alle!
Denn auf der einen Seite bekommen die Eltern, die ein Interesse an einer offenen Kommunikation haben und diese ohnehin schon leben, aufgezeigt, dass es dennoch ok ist, sich einzugestehen, dass es nicht nur leicht ist. Und auf der anderen Seite können jene Eltern, die vor allem noch die eigene Verletztheit spüren und noch nicht ganz bereit sind, das Ego zum Gemeinwohl hinten anzustellen, vielleicht etwas dazu lernen. Ja, es geht um euch, und es ist wichtig, dass ihr glücklich seid – aber es geht eben nicht nur um euch.
Diese Weisheit wird dabei aber nicht belehrend verpackt, sondern in einem episodischen Blick in das Leben von Nora. Man kann Nora zustimmen, oder man kann es lassen. Nora ist nicht die Heldin, sie ist halt einfach nur ne Mama. Der Zeichenstil von Antonia Kühn ist dabei karikaturesk. Die Figuren muten Tieren an, biologische Familienverhältnisse zwischen Kindern und Eltern werden dadurch zwar deutlicher. Aber eben auch, dass wir am Ende nur alle niedliche Schnuffelhasen sind, die irgendwo ein Zuhause suchen.
Alles in allem geb ich AUFBLASBARE ELTERN starke 8 von 10 Punkten.
AUFBLASBARE ELTERN von Antonia Kühn erschien im Reprodukt-Verlag und ist für 29 Euro überall da erhältlich, wo es was zum Schmökern gibt!
Bildrechte: © Antonia Kühn / Reprodukt-Verlag