LESETIPP: Anaïs Nin – Im Meer der Lügen

Anfang der 30er Jahre fristet Anaïs Nin als Ehefrau eines Bankiers ein unerfülltes Dasein in den Pariser Vorstädten. Als Tochter von Musikern verbrachte sie ihre Kindheit auf zwei Kontinenten und in drei Sprachen, und es dürstet sie nach einem freien, kreativen Leben. Aber die Rolle der Frau war ihrer zeit eine andere. Anaïs‘ Tagebuch wird zum Fluchtpunkt ihres Verlangens. Aber während sie die Wahrheit ihrer Emotion zu Papier bringt, versinkt sie selbst tiefer und tiefer in einem Meer der Lügen…

Bildrechte: © Léonie Bischoff /Splitter Verlag

Ausbruch aus dem Gefängnis

Anaïs Nin – Im Meer der Lügen erzählt in Form eines biografischen Comics von ihren literarischen Anfängen. Ihr Weg beginnt als Bankiersfrau, die in kreativen Kreisen verkehrt. Der Wunsch nach einem eigenen Roman ist groß und scheint wegen des das konservative Korsetts, das einer Frau in dieser Zeit angelegt wird unerreichbar. Sie fühlt sich eingeengt in ihrem Denken, in ihrem Begehren, in ihrem Sein. Geboren, um Ehefrau und Mutter zu werden, ist ihr Schicksal, wie das vieler Frauen in dieser Zeit. Anaïs Nin Nin weiß, dass sie mehr will. Es ist die Freiheit, die einem Mann gewährt wird.

Als sie Henry Miller begegnet, wird etwas in ihrem Inneren freigesetzt, und sie hinterfragt ihren Platz in der Welt. Verfallen dem Schreiben und der Lust beginnt sie ein Doppelleben zu führen. Mit zwei Tagebüchern – einem, dem sie  ihrem Bankiersmann offenlegt, und einem anderen, in dem sie die „freie“, zügellose Anaïs beschreibt. Hin und her gezogen, verliert sie sich in den Widersprüchen ihres eigenen Seins. Zwischen Selbsterforschung und einer Dreiecksbeziehung versucht sie, ihren Weg zu finden und ihre eigenen sexuellen Grenzen auszuloten.

Bildrechte: © Léonie Bischoff /Splitter Verlag

Wer war Anaïs Nin?

Berühmt geworden als Schriftstellerin, Psychoanalytikerin, die mit C.G. Jung und Freud verkehrte, Muse von Henry Miller und Erforscherin der weiblichen Lust, führte Anaïs Nin wohl viele Leben in einem. Sie lebte von 1903 bis in die 70er Jahre. Und gerade in dieser Zeit ist ihre Biografie etwas Besonderes, denn sie ist eine Frau. Das Streben nach Freiheit war größer als die gesellschaftlichen Normen dieser Zeit. Es gab klare Rollenbilder, Verbote für Frauen, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Neben ihren Tagebuchveröffentlichungen ist sie auch mit dem Buch „Delta der Venus“ bekannt geworden, in dem sie ihre Erfahrungen in Kurzgeschichten schildert, geschrieben in den 40er Jahren mit einer Offenheit und Sprache, die bis dahin nur Männern vorbehalten war.

 

Bildrechte: © Léonie Bischoff /Splitter Verlag

Mein Fazit

Léonie Bischoff hat mit ihrem Comic Anaïs Nin – Im Meer der Lügen ein sehr feines, emotionales Porträt geschaffen, das tief blicken lässt. Bildgewaltig und doch reduziert taucht es ein in die weibliche Perspektive des Ausbruchs. Dies gelingt auch durch die Buntstiftzeichnungen, die jede Figur in einer liebevollen Feinheit zeigt, die einen nur staunen lässt.

Obwohl der Comic vom Film „Henry and June“ inspiriert wurde, lässt er der vielschichtigen Geschichte von Anaïs Nin viel Raum und beschränkt sich nicht zu sehr auf dieses Liebeschaos.

Ich gebe deshalb

10 von 10 Punkte

Anais Nin von Léonie Bischoff erschien Splitter Verlag und ist für 29 Euro überall da erhältlich, wo es was zum Schmökern gibt!

Bildrechte: © Léonie Bischoff /Splitter Verlag

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Triggerwarnung: Dieser Comic enthält Passagen über sexuellen Missbrauch

Hilfe bekommst du unter anderem hier:

Telefonseelsorge, bundeseinheitliche Nummer: Tel. 116 123

Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: Tel. 116 111

Nummer gegen Kummer für Eltern: Tel. 0800 – 111 0 550

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