Am 1. April 2021 erscheint im Verlag Edition Moderne der Comic ZWANG der Züricher Künstlerin Simone F. Baumann. In kurzen Episoden schildert die Autorin darin ihren täglichen Kampf mit Depression, Zwangsstörungen, Migräne und Co. In krassen, teils verstörenden Bildern bekommt man einen eindrucksvollen Einblick in die Psyche einer Person. Ich bin hin und hergerissen zwischen Triggerwarnung und großer Empfehlung für Leute die ähnlich kämpfen und sich weniger allein fühlen sollten!
Zum Inhalt von ZWANG
Differenziert und mittels starker Bilder schildert Simone F. Baumann in kurzen Episoden, was sie beschäftigt und was sie hinterfragt. Ihre Geschichten sind wild und roh und stellen die Welt gemäß ihrer Wahrnehmung als chaotisch und trist dar — aber immer mit einer Prise Galgenhumor. Das Buch gibt einen tiefen Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Die Geschichten behandeln Themen wie Akzeptanz, insbesondere der Eltern, Alltagsstress, Angststörung, Psychologische Betreuung und über allem stehend Baumanns Depression.
Meine Review
Die düsteren, beklemmenden Bilder von ZWANG sind sicherlich nicht für jeden. Leute welche unter ähnlicher Symptomatik leiden werden hiervon entweder abgeholt oder fühlen sich getriggert. Schwerer wird es vielleicht für Leser, welche hier ganz unbetroffen herangehen. Denn die Episoden kommen oft mit nur wenig Text und Kontext aus. Viel versteht man nur wenn man es fühlt oder entsprechende Empathie mitbringt. Die Bilder stecken voller Details und Andeutungen an die chaotische Welt in Simones Kopf, so verliert man sich oft minutenlang in einer Seite und wird nicht losgelassen.
ZWANG ist ein Comic der den richtigen Leuten die Augen öffnen kann. Dass wir uns thematisch (leider!) in einer Nische befinden wird auch deutlich darin, dass das Buch in erster Linie Episoden zusammenfasst welche Baumann bereits in ihrem selbstverlegten Fanzine 2067 veröffentlichte. Baumann erhielt inzwischen Auszeichnungen und wird von Verlagen übersetzt und verlegt. Doch ihre Geschichten begann sie für sich und für die die sie brauchten. So dringend brauchten, dass sie sie gar selbst veröffentlichte, damit sie gesehen werden konnten.
ZWANG wird euch nicht glücklich zurücklassen. Viel mehr bleibt ein mulmiges Gefühl. Vielleicht hat der ein oder andere danach ein besseres Verständnis, was in seinem Freund mit Depressionen vor sich geht. Oder jemand fühlt sich doch ertappt, dass manche Gedanken sich so auch bei ihm schon abspielten. Und gerade deswegen ist ZWANG genau der richtige Comic für die abgefuckte Zeit in der wir aktuell leben. In der es ein halbes Ding der Unmöglichkeit ist einen Therapieplatz zu bekommen, wo ihn doch so viele nötig haben.
Ich habe mich von ZWANG auf jeden Fall sehr abgeholt gefühlt. Ich werde das Buch definitiv auch weiterreichen, denn es sollten mehr Leute sehen. Und dafür kann man einfach nur 10 von 10 Punkte geben!
Solltet ihr euch aktuell allein fühlen oder schon länger leiden wagt bitte den Schritt und sucht euch Hilfe! Zwar ist es schwer einen Therapieplatz zu bekommen, aber es lohnt sich. Auch im privaten Umfeld kann jedes Gespräch nur helfen. Ihr seid auf jeden Fall nicht allein!
Das Info Telefon der Deutschen Depressionshilfe erreicht ihr unter 0800 3344533
Bildrechte: © Simone F. Baumann / Edition Moderne
Ich bin Ü50 und Mutter. Selber mit bipolarer Depression unterwegs. Mein erster Eindruck ist keine Triggerwarnung sondern Empowerment. In letzter Zeit ist soviel Transgender in der Diskussion, dass ich langsam Sehnsucht bekomme nach einer breiten Debatte über alle psychischen Erkrankungen! Damit endlich die Scham der Betroffenen wie auch der nahen Angehörigen durchbrochen wird. Warum ducken sich offensichtlich Betroffene weg bis zur Unsichtbarkeit. Und dann dieses Burnout Gequatsche. Als ob eine Depression nach beruflicher Höchstleistung eine Rechtfertigung hergibt. Psychische Krankheit ist genau so viel wert wie jede andere Diagnose.