Die USA sind politisch gerade ein heißes Eisen. Am 3. November steht die große Wahl an. Die Wahl für die einst die Griechen bereits das Sprichwort „between a rock and a hard place“ schufen. Wollen Sie ein Häufchen Ah-Ah, oder ein Häufchen Ah-Ah mit Schuss? Wer sich nochmal die Stimmung zur letzten US-Wahl hervorrufen möchte, den lege ich die Graphic Novel AUSNAHMEZUSTAND von James Sturm ans Herz. Erschienen im Reprodukt Verlag.
Zum Inhalt von AUSNAHMEZUSTAND
„Wie konnte das passieren?“ Diese Frage beschäftigt 2016 nach der Präsidentschaftswahl in den USA nicht nur die halbe Welt, sondern auch Mark, der mit dem Zerfall seiner Beziehung fertig werden muss. Zwischen Trauer und Wut, zwischen Lähmung und dem Versuch, sein Leben neu aufzustellen, erlebt der zweifache Vater zärtliche Momente mit seinen Kindern – Vorfreude auf den Weihnachtsmorgen, Kekse nach einem nächtlichen Wutanfall. Hoffnung bleibt bestehen, obwohl die Zeit stillzustehen scheint.
Ein gespaltenes Land
AUSNAHMEZUSTAND thematisiert nicht einmal konkret die Wahl. Dies ist keine Polit-Geschichte. Vielmehr geht es um die Bewohner der USA und die Kluft die sich zwischen den politischen, beziehungsweise sozialen, Lagern stets vergrößert. Die „Bewohner“ sind dabei in einem fabelhaften (see what I did there?) move als vermenschlichte Hunde dargestellt.
Mark ist Bauarbeiter, frisch getrennt von seiner Frau, zwei Kinder. Seine Ex kommt aus gutem Hause. Hat ein Treuhandkonto. Die beiden vereinten ohnehin schon verschiedene Welten. Doch als die Trennung während der Wahlkampfsituation 2016 eintritt, ist da auf einmal noch soviel mehr dass die beiden trennt. Nicht nur ihre persönlichen zwischenmenschlichen Probleme, sondern ihre verschiedenen Perspektiven spielen dabei eine Rolle. Zusammen waren beide für Bernie Sanders. Doch als dieser „zurück trat“ widmet Lisa ihre Aufmerksamkeit Hillary Clinton. Eine Wahl die Mark nicht wirklich unterstützen kann. Und so sieht er sich hin und hergerissen zwischen Hillary, bei der ihm definitiv nicht alles zusagt, und diesem Trump. Eine Wahl die er sonst nie gefällt hätte. Die aber mir ihren populistischen Floskeln gerade sozialschwache Schichten irgendwie zu motivieren weiß. Die ihm plötzlich nicht mehr so abwegig scheint – und sei es nur um gegen dass zu sein was Lisa will. Sie hat es schließlich leicht, während er sich auf dem Bau den Arsch buchstäblich aufreißen muss.
Und genau dieser Umstand begründet die Existenzangst derer sich Monster wie Trump bedienen. Marks Situation teilen Tausende Amerikaner, welche in sozialschwachen Jobs arbeiten. Sie können die Probleme die eine Hillary anspricht gar nicht nachvollziehen. Wenn die dann auch noch Fehler macht spielt das nur ins Narrativ.
Wie konnte das nur passieren?
Nun haben wir 4 Jahre Trump irgendwie überlebt. Also wir hier, ums mal zu sagen wie es ist. Viele Amerikaner haben es schlicht nicht überlebt und daran ist Trumps desaströse Politik insbesondere in Corona Zeiten wesentlich Schuld. AUSNAHMEZUSTAND verbreitet keine Meinung und versucht keineswegs zu urteilen. Stattdessen zeigt Sturm in dieser Graphic Novel eben genau diesen AUSNAHMEZUSTAND, welcher dazu führte.
Beim Lesen wird einem ganz anders um Herz. Denn man sympathisiert klar mit Mark, auch wenn man sieht, dass er gerade ansatzweise mit Trump sympathisiert. Wen Mark letztlich gewählt hat, wird dabei nicht einmal thematisiert. Aber seine Situation brachte ihn in diesen Zustand, wo er ein Kreuz für Trump jedenfalls nicht mehr komplett abwegig fand. AUSNAHMEZUSTAND regt positiv zum Nachdenken an.
Perfekter Zeitpunkt also, jetzt 2020, wo die USA wieder an diesem Punkt stehen. Dafür gebe ich dicke 10 von 10 Punkten!
Bildrechte: © James Sturm / Reprodukt-Verlag