Anfang März erschien beim Verlag Edition Moderne das Erstlingswerk der deutschen Künstlerin Lina Ehrentraut. MELEK+ICH verbindet ein abgefahrenes Sci-Fi-Setting mit einer Dosis Psychotherapie und setzt das Ganze dann auch noch künstlerisch mega spannend um.
Zum Inhalt von MELEK+ICH
Nici ist Wissenschaftlerin und betrinkt sich gern in der Bar nebenan. Heimlich baut sie Melek ― einen Körper nach ihrer Wunschvorstellung ― und eine Maschine, mittels derer sie in parallele Dimensionen reisen kann. In einer dieser anderen Dimensionen begegnet sie in Meleks Körper Nici ― also sich selbst ― und geht mit ihr eine Beziehung ein. Lina Ehrentraut vereint in ihrem Début dringliche und aktuelle Themen wie Selbstliebe und -hass, Identität und cis-weibliche Sexualität. Gekonnt leitet sie in schwarz-weissen Comicsequenzen und atmosphärischen bunten Malereien durch die unterschiedlichen Erzählebenen.
Meine Review zu MELEK+ICH
Die psychologische Idee könnte ja eigentlich plakativer nicht sein, deswegen reden wir gar nicht lange um den heißen Brei herum. Nici als Wissenschaftlerin ist mit ihrem Leben nicht vollends zufrieden. Es gibt Teile die sie unterdrückt und die ihr fehlen. Deswegen geht sie ständig einen wegzischen. Durch die Flucht zu und in ihr anderes selbst findet sie was sie vermisste. Ihr anderes ich ist lebensfroh, offen, bunt, chaotisch, spontan.
Doch der Weg dies zu erzählen ist hier so mega kreativ gewählt! Die Technologie hinter interdimensionaler Reise und Homunculus-Bau sind zwar unsagbar vage, aber sie spielen ja auch keine Rolle. Der Kern ist die Reise ins ich. Trotzdem hilft dieses Sci-Fi Setting natürlich erstmal dabei ein breiter gefächertes Publikum zu catchen. So gesehen ist da echt für jeden was dabei. Ohne in erster Linie eine LBGTQ+ Story zu sein, ohne ein hardcore Sci-Fi Schinken zu sein, ohne eine schnulzige Liebesgeschichte zu sein. Ehrentraut schafft es diese ungleichen Genres dennoch unter einen Hut zu zaubern.
Gestalterisch finde ich, liegt ihre Stärke deutlich mehr im colorierten Bereich. Die schwarz weißen Comic Abschnitte wirken dazwischen teils eher wie die Pflichtkür. Dabei hätte auch gerne einfach das ganze Buch coloriert sein dürfen! Vielen der colorierten Abschnitte verlangen dem Leser dafür viel Einfühlungsvermögen ab. Sie erzählen weniger eine Geschichte, als das sie ein Gefühl vermitteln. Ein Gefühl, dass sich durchs ganze Buch zieht. Ein Gefühl, dass man idealerweise mitfühlt und sich am Ende fragt ob man sich Nicis Homunculus mal eben selbst borgen könnte. Kleiner Trip zur Selbstliebe.
Dafür geb ich 8 von 10 Punkten! 🙂
Bildrechte: © Lina Ehrentraut / Edition Moderne