Filmmusik „Across the Stars“: Ein Gespräch zwischen John Williams & Anne-Sophie Mutter

Die Deutsche Grammophon kündigt ein Projekt der Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und des legendären Filmkomponisten John Williams an: Across the Stars. Das Album erscheint international am 30. August 2019 und bietet eine breit gefächerte Auswahl von Williams’ berühmten Filmthemen. Hier sprechen John Williams und Anne-Sophie Mutter sprechen über Across the Stars… 

ASM: John, ich muss sagen, dass ich wegen dieses Interviews mit Ihnen nervöser bin als bei meinem ersten Vorspielen für Herbert von Karajan! Unsere Zusammenarbeit ist eine solche Ehre für mich. Ich bin Ihrer Arbeit zuerst 1978 begegnet, als ich Krieg der Sterne sah. Solch überwältigende Musik, sie öffnete mir eine neue Dimension. Ihre Musik wurde Teil meines Lebens, aber niemals hätte ich gedacht, dass sich unsere Wege einmal kreuzen würden.

JW: Wie, wann und warum kamen Sie auf die Idee zu Across the Stars?

ASM: Vielleicht erinnern Sie sich, wir haben uns vor ungefähr acht Jahren persönlich kennengelernt, und ich fragte Sie damals, ob Sie nicht ein kurzes Stück für mich schreiben könnten. Sie komponierten dann Markings, das ich vor ein paar Jahren in Tanglewood zur Uraufführung brachte.

JW: Für mich war es wirklich inspirierend, Sie musikalisch kennenzulernen. Und dann schlugen Sie dieses Projekt vor …

ASM: Immer, wenn ich einen Ihrer Filme sah, habe ich mir gewünscht, diese herrlichen Themen selbst zu spielen. Also fragte ich Sie, und jetzt habe ich Ihre Adaptationen der Stücke für die Geige.

JW: In der Tat sind es eher Adaptationen als Arrangements. Sie begannen als kurze musikalische Phrasen in Verbindung mit Filmfiguren wie Yoda, Leia usw. Die Aufgabe bestand darin, beispielsweise aus vier Takten vier Minuten zu machen, losgelöst von dem Film, das richtige Register auf der Geige zu finden und eine Gestalt für jedes Stück.

ASM: Ich glaube, Krieg der Sterne nimmt so viel Raum ein auf diesem Album, weil es darin so viele unterschiedliche Figuren gibt, die durch Ihre Themen Leben erhalten. Denken Sie etwa an »Luke and Leia«, man sieht sie förmlich vor sich, sobald man Ihre Musik hört. Oder das sagenhafte Thema für Rey, das spielerisch und unschuldig ist, aber auch sehr kraftvoll. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, etwas, das für ein bestimmtes Instrument geschrieben ist, auf die Geige zu übertragen?

JW: Zuerst einmal war es eine Ehre, für eine so große Geigerin zu schreiben. Wenn man ein Stück nimmt, das ursprünglich für Horn komponiert ist beispielsweise, und es transponiert, dann wird die Musik zu einer anderen emotionalen Erfahrung. Und das gilt für das ganze Projekt. Ich habe Musik, die ich seit Jahren kenne, ins Idiom der Geige übertragen. Das Thema aus In einem fernen Land etwa ist ganz Orchester, Trompeten und alles Mögliche. Nun habe ich versucht, es für die Geige »passend« zu machen.

ASM: Und Sie haben ein virtuoses Stück geschaffen, das äußerst violinistisch ist. Das Gleiche gilt für »The Duel« aus Tim und Struppi, ein an Paganini erinnernder Ausflug in die Welt des Feuerwerks. Und auch für »Hedwig«, dieses berühmte Thema.

JW: »Hedwig« schrieb ich, da hatte ich noch nicht einmal den Rohschnitt des ersten Films gesehen. Ich wusste natürlich, wovon die Bücher handeln, und schrieb das Stück eigentlich für eine Fernsehwerbung. Dann sagten alle bei Warner Bros., das sollte das Thema für den Film sein. Aber was Sie auf der Geige daraus machen, ohne Vibrato – das würde ich mit »spinnenhaft« beschreiben. Nicht unbedingt furchterregend, aber atmosphärisch. Virtuos und brillant.

ASM: Lassen Sie uns über einige der anderen Stücke sprechen. Woher nehmen Sie zum Beispiel das Verständnis für all die unterschiedlichen Kulturen? Es gibt keltische Musik in In einem fernen Land oder japanische in Die Geisha. Wie erreichen Sie es mit wenigen Takten, dass wir das Gefühl haben, wir seien in Japan?

JW: In den 1960er-Jahren arbeitete ich in der Musikabteilung hier bei Universal Studios. Ich machte wöchentliche Programme mit Anthologien, jedes Mal in einem anderen Stil. Das gab mir die Möglichkeit, mich intensiv mit allen Arten von Musik zu beschäftigen. Japanische Musik schrieb ich zum ersten Mal für Frank Sinatras Film Der Lohn der Mutigen. Mir begegneten großartige japanische Musiker und ich lernte etwas über ihre traditionellen Instrumente, das half mir auch bei Die Geisha. Dort setzte ich ein Solocello ein, aber ich finde, die typisch japanischen Merkmale lassen sich genauso gut in die Version für Geige übertragen.

ASM: Und Dracula? Ich glaube, André [Previn] spielte dabei eine Rolle – Sie waren Jugendfreunde.

JW: Sehr gute Freunde, das stimmt. Wir sprachen tatsächlich über dieses Projekt, er hat mich an »Night Journeys« erinnert, das er liebte. Und ich dachte, es könnte sich gut für die Geige eignen.

ASM: Es ist eine so finstere Musik, so leidenschaftlich. Und Ihre Orchestrierung ist wirklich perfekt. Ebenso unvergleichlich ist das Thema aus Zapfenstreich, das einen so jazzigen, improvisatorischen Charakter hat. Können Sie uns sagen, wie es entstand?

JW: Zapfenstreich war ein wunderbarer Film mit einer gewissen verräucherten Atmosphäre, wie in einer Bar. Das Thema war improvisiert – ich saß am Klavier und spielte so herum, so etwas wie Jazz.

ASM: Es hat eine melancholische Stimmung, die einen perfekten Kontrast schafft zum eher »heroischen« Charakter der Themen aus Krieg der Sterne und Harry Potter oder »The Duel«. Und dann gibt es noch »Sabrina’s Theme«, ebenfalls eine großartige weibliche Melodie, aber ganz anders als Die Geisha. Es ist etwas Besonderes, ein solches Spektrum von Musik auf einem Album zu haben. Wir schließen mit dem Thema aus Schindlers Liste, das wirklich das letzte Wort haben muss. Ihre Musik erinnert uns an furchtbare Schrecken und daran, dass sie sich nicht wiederholen dürfen. Ein ernster, aber notwendiger Abschluss.

JW: Ja, es ist ein schöner Abschluss.

ASM: Danke für Ihre wunderbare Musik, John!

JW: Und ich danke Ihnen dafür, dass Sie diesen Stücken neues Leben verliehen haben – einen neuen Aspekt, eine neue Art, sie zu hören, eine neue Art zu zeigen, was in ihnen steckt.

Foto: ©Prashant Gupta

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