Von Beate Geibel und Gregor Wildermann
Worum geht’s in LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE?
Am 14. November startet LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE in den deutschen Kinos. Der Film von Regisseur James Mangold basiert auf der wahren Geschichte des visionären amerikanischen Sportwagenherstellers Carroll Shelby (Matt Damon) und des furchtlosen, in Großbritannien geborenen Rennfahrers Ken Miles (Christian Bale).
Gemeinsam kämpfen sie gegen die Intervention ihres Auftraggebers, die Gesetze der Physik und ihre eigenen inneren Dämonen, um einen revolutionären Sportwagen für die Ford Motor Company zu bauen. Damit wollen sie die dominierenden Rennwagen von Enzo Ferrari beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1966 in Frankreich besiegen.
Hier könnt Ihr einen Blick auf den Trailer werfen:
Was Beate sagt…
Es ist immer eine persönliche Entscheidung, einem neuen Film, der ein altes Thema oder einen historischen Kontext wieder aufgreift, eine objektive Chance zu geben – oder aber ihn zu vergleichen und daraufhin abzuklopfen, ob er historisch korrekt ist.
Ich habe für mich vorab beschlossen, LE MANS 66 unvoreingenommen, als eigenständiges Biest zu betrachten und alles, was ich an Steve McQueens Split Screen Coolness im Hinterkopf habe, aus dem selbigen zu bekommen. Und genau das gelingt LE MANS 66.
Der Film ist eine in sich runde Produktion, die geschickt zwischen Männerfreundschaft, Sportfilm und David versus Goliath ausbalanciert ist und außerdem als Parabel zur Realität funktioniert. Auf der einen Seite zwei Männer, die gemeinsam gegen die Arroganz, Egos und Selbstgefälligkeit des Autoriesen Ford kämpfen. Auf der anderen Seite, Regisseur und Mit-Autor James Mangold, der sich über Jahre mit Widerständen und der Schwerfälligkeit Hollywoods rumschlagen musste bis er diesen Film endlich in dieser Form machen durfte.
Und genau diese Parallelen, die sich übrigens in der gelungenen Besetzung der beiden Hauptdarsteller fortsetzt, denn die beiden spielen sich praktisch selbst, führen zu einer 100 Prozentigen Identifikation mit dem Material, was den Film und seine Figuren, in jeder Szene so fühlbar authentisch macht und einen mitreißt.
Den Kern des Filmes bildet die Männerfreundschaft zwischen Carrol Shelby (Matt Damon) und Ken Miles (Christian Bale), von beiden formidabel gespielt, der von den Szenen zwischen Ken Miles und seinem Sohn Peter (Noah Jupe) emotional zentriert wird.
Der Look zelebriert das sonnendurchflutete Kalifornien der 60er Jahre und die Autorennen, bei denen weitgehend auf CGI verzichtet wurde, geben dem Film Geschwindigkeit und Verve.
Fazit
Rundum gelungenes Entertainment, das mit durchgehender Spannung auch Kinobesucher abholt, die keine Auto- oder Autorenn-Freaks sind und dem es gelingt, trotz 152 Minuten Länge, keine Minute zu langweilen. Drei Oscarnominierungen dürften dem Film für Drehbuch und Hauptdarsteller zudem sicher sein.
Abzüge gibt’s dafür, dass eine Schauspielerin wie Caitriona Belfe (Outlander) rein als Stichwortgeberin und Regulativ platziert wurde.
8/10 Goldblums
Was Gregor sagt…
Am Anfang steht erst einmal etwas Verwirrung. Jenseits von Deutschland heisst der Film „Ford vs Ferrari“, bei uns geht das Werk von Regisseur James Mangold („Logan“, „Walk the Line“) unter dem Namen LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE an den Start. Könnte das etwas mit dem weltberühmten Film mit Steve McQueen zu tun haben? Ist es gar ein Remake des Klassikers von 1971?
Die Schnittmenge ist mit Sicherheit die Rennstrecke beim französischen Ort Sarthe, die wegen ihrer Hochgeschwindigkeitsabschnitte jenseits der 300 km/h und dem jährlichen 24 Stunden-Rennen zu den größten Herausforderungen im Leben jedes Rennfahrers gilt. Doch wie schon bei dem biographischen Film zum Leben von Johnny Cash suchte sich James Mangold für diesen legendären Kurs einen neuen Blickwinkel, der sich im US-Titel zum Film wesentlich direkter widerspiegelt und für jeden Fan von schnellen Autos ein eigener Mythos ist, der schon mehrfach verfilmt werden sollte.
Die Geschichte hat alles, was man sich für Dramatik wünscht: Zwei der größten Firmenmagnate jener Zeit, sehr viel gekränktes Männerego, der Reiz der Herausforderung und klar kalkulierte Rache. Es begann als Enzo Ferrari Anfang der Sechziger Jahre mit seiner Autofirma in arge finanzielle Not geriet, der US-Gigant Ford Interesse am Kauf zeigte und Ferrari in seinen Konzern eingliedern wollte. Nach monatelangen Verhandlungen stand die Unterzeichnung des Vertrages in Modena an, doch als Enzo Ferrari eine Klausel zum Status seines Rennteams nicht zusagte, stand er einfach auf und verabschiedete sich zum Mittagessen.
In der Zentrale von Ford wollte man sich diese Demütigung nicht gefallen lassen und beschloss, Ferrari dort zu schlagen, wo Sie als ungeschlagen galten: Auf der Rennstrecke und vor allem bei den 24 Stunden von Le Mans. Dabei hatte Ford kein Modell in ihrer Produktpalette, das selbst mit dem langsamsten Ferrari hätte mithalten können. Das brachte Carroll Shelby (dargestellt von Matt Damon) ins Spiel, der als einziger Amerikaner das Rennen in Frankreich gewonnen und beste Kontakte in die Rennszene hatte.
Doch Shelby war mehr als klar, welche Herausforderung er da angenommen hatte. Dauert die Entwicklung eines ausgereiften Rennautos meist mehrere Jahre, wollte Henry Ford II (perfekt dargestellt von Tracy Letts) bereits in einem Bruchteil der Zeit an den Start gehen. Die Ansage war klar: Was auch immer es kostet – Ferrari soll geschlagen werden. Shelby kauft daher in England einen bereits erprobten Prototyp ein und engagiert dazu gleich den englischen Rennfahrer und Mechaniker Ken Miles (Christian Bale).
James Mangold stellt die schwierige Beziehung zwischen Miles, Shelby und den verantwortlichen Figuren bei Ford (vor allem Lee Iacocca) in den Mittelpunkt seines Films und addiert dazu noch die Familiengeschichte von Ken Miles, dessen ungestüme Art ihm meistens mehr Probleme als Freunde einbringt. Der Film bekommt dadurch eine sehr persönliche Note, die eben nicht nur Fans von Pferdestärken und dem legendären Ford GT40 anspricht, sondern weitaus darüber hinaus geht. Selbst in den ruhigen Passagen der 152 Minuten Laufzeit schafft es Mangold und die Kamera von Phedon Papamichael („Nebraska“) den Zuschauer immer mitzunehmen. Das war zuletzt auch Ron Howard mit „Rush“ gelungen, in dem die Rivalität zwischen James Hunt und Nikki Lauda einen der besten Filme seines Genres hervorbrachte.
Obwohl James Mangold das historisch sehr genaue Buch von AJ Baime („Go Like Hell“) als Vorlage hatte, erlaubt er sich in der Darstellung von Enzo Ferrari (Remo Girone) leider einige Freiheiten in der Dramaturgie, die meiner Meinung nach eher unnötig waren. So wird er bei der gescheiterten Vertragsunterzeichnung als fluchender Italiener karikiert und erscheint auch bei den Rennen in Le Mans mehr wie ein schlecht gelaunter Mafiapate.
Dabei war Enzo Ferrari aus Trauer um den Tod seines einzigen Sohnes Dino schon seit 1956 nicht mehr bei Rennen im Ausland selbst vor Ort, obwohl der Film das entscheidende Le Mans-Rennen von 1968 so inszeniert. Abseits dieses Schönheitsfehlers ist James Mangold ein treffendes Porträt einer Ära gelungen, in der Abgaswerte oder Sicherheitsfragen auf der Rennstrecke noch Fremdwörter waren. Und der Film liefert die passenden Bilder zu der Frage, warum bestimmte Strecken und hohe Geschwindigkeiten wohl nie eine gewisse Faszination verlieren werden.
Daher: 8 von 10 Punkten