Am 4. Juni erschien die spannende Graphic Novel UNFOLLOW von Lukas Jüliger im Reprodukt Verlag. „Die Graphic Novel fängt den Zeitgeist der Youtube- und „Fridays for Future“-Generationen ein, zwischen Wut, Hoffnungslosigkeit und Optimismus.“ – so der Verlag.
Worum geht’s in UNFOLLOW
UNFOLLOW folgt der Lebensgeschichte eines namenlosen Öko-Aktivisten, Social-Media-Influencers und Sprachrohr seiner Generation, der unter dem Nutzernamen @realearthboi das Netz im Sturm nimmt. Earthboi, der behauptet so alt wie die Erde selbst zu sein und als körperloses Bewusstsein Teil der menschlichen Evolution gewesen zu sein, sammelt Millionen von jungen Followern um sich und kündigt mit seinen Videos und Posts ein neues, bewussteres Leben an.
In „Erde“, einer progressiven Kommune außerhalb der menschlichen Zivilisation, arbeiten er und seine „Wurzeln“, seine treuesten Anhänger, an dem baldigen Wandel …
Mit unterschwelligem Suspense spinnt Lukas Jüliger in “UNFOLLOW” eine moderne Fabel über alternative Lebensentwürfe, die Klimakrise und die bizarren Auswüchse der Influencer-Kultur.
Meine Review – Spoilerfreier Teil
UNFOLLOW füllt die Lücke, die Fridays For Future Anhänger aktuell dank Corona erfahren. UNFOLLOW geht zwar nicht auf die Straße für dich, doch zeigt es, wie Aktivismus heutzutage auch Online aktiviert. Oder aktivieren kann. Natürlich ist die Graphic Novel dabei kein Bauplan für die nächste Revolution oder ein How-To fürs influencen. Viel mehr sehen wir ein realistisches, zeitgenössisches Bild über den Aufstieg eines Sonderlings zum nächsten heißen Scheiß. Um den sich Jünger scharen. Fast schon wie bei einer Sekte.
Wer oder was Earthboi wirklich ist wird vage gehalten, darum soll es gar nicht gehen. Doch er weiß, was bei uns schief läuft und möchte Wege aufzeigen dies zu ändern. Doch dabei geht er nicht aggressiv vor. Viel mehr teilt er seinen alternativen Lebensstil im Vlogger-Stil mit der ganzen Welt und hofft, dass davon etwas haften bleibt. Hier und da kosten Dinge natürlich einfach Geld. Dieses weltliche Hifsmittel verdient er sich mit auserlesenen, „vertretbaren“ product placements. Ein echter Influencer eben.
Zusammen mit Yu, einem technischen Wunderkind und Öko-Aktivistin, errichtet er mit „Erde“ eine Kommune, die Beispiel werden soll für den Rest von uns.
Earthboi gab dem Ort den Namen „Erde“. Weil er den Idealzustand verkörperte. Das Gleichgewicht, in dem der Planet bewohnt werden konnte. Wie es hatte werden sollen, bevor der Mensch sich in seinen Phantasmagorien verloren hatte.
Doch wenn uns Herr der Fliegen eins lehrte, dann, dass der Mensch in solchen Systemen oft weniger gesellschaftlich tickt als erhofft.
Klar wirkt Earthbois Aufstieg zum Influencer des Jahres, zum Sprachrohr von mehr als einer Generation, irgendwie zu einfach. Aber irgendwo soll dies ja auch nur eine vereinfachte Darstellung der naiven, einfachen Welt des Influencer-Daseins darstellen. Diese Welt, die eine Möglichkeit zeigt mit einfachen Mitteln viele zu erreichen, und doch so un-transparent, wie keine Vergleichbare ist. 100 Influencer sagen dieser Diät-Tee ist der Wahnsinn? Muss ja wahr sein. Aber frage nicht, was die dabei verdient haben. Und frage erst recht nicht, wie billig diese Marketing-Maßnahme am Ende dennoch nur für den Hersteller war. Beeinflussen ist so leicht.
Ab hier wirds eventuell Spoiler-lastig
Spannend wird UNFOLLOW, wenn man sich dann ab der Hälfte, voller utopischer Ideale, langsam mal fragt woher der Titel eigentlich rührt. Und wer denn eigentlich die Erzählstimme ist. Es baut sich dann langsam eine Vorahnung auf. Was, wenn Jesus Jünger dessen Kunde irgendwann für sich auslegen? Und eine Frau? Ne Sorry, aber eine Frau hat ja eindeutig auch noch nie in der Geschichte irgendwas Positives beigetragen. Oh Gott, wo soll das nur hinführen?
Reprodukt betitelt das Werk als Fabel – per Definition stimmt das nur so halb. Schließlich ist der Protagonist mit der Natur zwar sehr verbunden aber trotzdem kein Tier. Und auch die Moral am Ende ist eigentlich super vage. Sollen wir Earthboi nun alle blindlings hinterher rennen? Springen wenn er „spring“ twittert? Oder doch lieber unsere eigene, differenzierte, Meinung bilden. Von allem ein bisschen mitnehmen und unseren eigenen Weg in der Mitte finden?
Fazit (wieder spoilerfrei!)
UNFOLLOW ist eine durchaus spannende und nachdenkliche Erzählung über Wege und Mittel unserem Planeten etwas weniger zu schaden. Dabei wird das Rad nicht neu erfunden und am Ende ist der Klimawandel nur der Hintergrund, vor dem die eigentliche Geschichte, um einen Kult, erzählt wird. Doch ist es ein Hintergrund der in moderne Erzählungen einfach mal langsam mehr Einzug finden muss. Klimawandel ist halt einfach kein Jugendhype sondern ein reales Problem, dass die Menschheit beschäftigen sollte. Jetzt, verdammt nochmal.
Für diese gute Kombination, die entspannten Zeichnungen, und einfach gute Unterhaltung geb ich UNFOLLOW sehr gern 8 von 10 Punkten!
Bildrechte: © Lukas Jüliger / Reprodukt Verlag