Filme, Serien, Comics – haben wir hier alles auf dem Blog. Aber man muss auch mal was Neues wagen. Nachdem ich bereits vor Jahren über den Hamilton-Film auf Disney+ geschrieben hatte, zog es Aki und mich letztes Jahr ins echte Musical nach Hamburg. Und daraus entstand eine neue Leidenschaft, welche uns jetzt erneut nach Hamburg lockte. Geschaut wurde: Disneys Hercules. Hier lest ihr unsere Meinung aus zwei Perspektiven: Aki kennt den Film in- und auswendig, ich hab ihn nie gesehen.
Darum geht es im Musical Hercules
Goldjunge Zeus darf den Olymp regieren, Hades nur die Unterwelt. Eine leidige Aufgabe. Voller Zorn über diese Ungerechtigkeit rächt er sich – und findet mit Zeus‘ Sohn Hercules sein perfektes Opfer. Durch eine ausgeklügelte List von seinem Onkel Hades landet Hercules sodann auf der Erde – und zwar als Mensch.
Noch immer mit gottähnlichen Kräften ausgestattet, sucht er mithilfe seines Trainers Phil nach seinem Platz in der Welt und stellt sich den gewaltigen Herausforderungen, die Hades für ihn bereithält, um ein wahrer Held zu werden und in den Olymp zurückzukehren.
Ricardas Meinung zu Hercules
Ich habe mir im Vorfeld extra NICHTS zu Hercules ansehen wollen. Aber selbst wenn man es vermied, die Inhalte bestimmter Meldungen zu lesen, kam man an deren Überschriften nicht vorbei. Und die klangen stellenweise schon etwas negativ. Doch egal, ich gab dem Musical dennoch eine unvoreingenommene Chance, mich gut zu unterhalten. Doch irgendwie, ging das ganze über seichte Vorabend-Unterhaltung nicht hinaus.
Vielleicht hat mich Hamilton auch für alle weiteren Musicals ruiniert? Hamilton ist so geistreich, tiefgehend, emotional, da hat jedes Wort, jede Bewegung ihre Bedeutung und Daseinsberechtigung. Hercules ist da ein ganz anderes Level, das muss man sich natürlich bewusst machen.
Aber auch abseits dieses Wunsches nach Tiefgang, blieb der erwünschte Funke irgendwie aus. Klar soll Hercules anfangs kindlich wirken, leider wurde er aber bis zum Schluss durchweg infantil dargestellt. Und wo ich es einerseits liebe, dass die Hamburger Musical-Szene Menschen jeder Couleur und Herkunft einen Ort zur Entfaltung bietet, so wäre es doch hilfreich, wenn man im Bedarfsfall (der natürlich nicht überall besteht) auf Sprach-Coaches zurückgreift, damit Zuschauer:innen das gesungene Wort wenigstens problemlos versteht. Das soll überhaupt keine Kritik an den Darstellenden selbst sein, ich sehe da eher eine mangelhafte Regie.
Vor allem bei den Musen, deren Hautjob im Abliefern von VIEL ZU VIEL Exposition bestand, verstand man nicht immer alles. Aber das lag zugegebenermaßen nicht nur am Akzent, sondern auch an der katastrophalen Abmischung. Die Ladies waren schlicht und ergreifend viel zu laut. Das hat nur gekracht, sodass man noch einmal weniger verstanden hat.
Noch irritierender als die schlechte Akustik fand ich jedoch einige Darstellende aus dem Ensemble. So ist es mir zwar schon klar, dass Monster und große Tiere bei einer Bühnenshow von Menschen gesteuert werden – aber die möchte ich dabei eigentlich so wenig wie möglich sehen. Statt diese Personen nun aber in schlichte schwarze Ganzkörperanzüge zu stecken, hatten sie normale Kostüme wie der Rest vom Ensemble an. Und dieser Umstand verlieh dem Gesamtbild harte Schulaufführungs-Vibes. Einer der schlimmsten Effekte, der mich unnormal aufregte: Hercules spricht in einer Szene mit seinen Eltern, die sich auf dem Olymp befinden. Die Unterhaltung findet via Statuen statt, in welche die Eltern projiziert werden. Aber anstatt die Projektion entweder auf die entsprechende Größe zu strecken oder eben die Statuen an die Größe der Darsteller:innen anzupassen, waren die Eltern halt nur bis zur Schulter der Statuen projiziert. WHY???
–> UPDATE vom 24.7.: Wie mir nachträglich mitgeteilt wurde, handelte es sich bei dem Effekt mit den Statuen nicht um eine Projektion. Stattdessen standen die Darsteller:innen tatsächlich in den Statuen drin und wurde effektvoll beleuchtet. Ändert an den Größenverhältnissen jedoch nichts.
Fazit
Aber zum Schluss auch noch zum positiven: all die genannten Fakten, sind für mich Dinge, die eine gute Regie und Produktion zu verantworten hat. Die ganzen Mankos schaffen es dabei aber nicht, die Leistung der Darstellenden gänzlich kaputtzumachen. Vor allem Mae Ann Jorolan als Meg ist ein absolutes Highlight. Fun Fact: Jorolan spielte in Hamilton Peggy/Maria Reynolds. Hercules wird von Benét Monteiro gespielt, welcher in Hamilton den Hauptdarsteller gab – beide kannten sich also gut. Diese Chemie spürte man, auch wenn sie zwischen Hercules und Meg eher weniger bestand. Allein schon, weil sich Hercules bis zum Schluss wie ein 12-Jähriger benahm und Meg bis kurz vor Schluss wie die Unterwelt-Bösewichtin, die man erwartet – bis sie sich innerhalb von 5 Sekunden angeblich „verliebte“.
Also: wer ganz, ganz seichte Unterhaltung will, oder wer mit Kindern ins Musical will, der könnte bei Hercules einen okayen Abend verbringen. Wer aber auf tolle Kostüme und eine fantastische Produktion hofft, oder gar so etwas wie Tiefgang erwartet, der ist hier leider verkehrt.
Ich gebe Hercules daher leider nur 4 von 10 Punkten
Akis Meinung zu Hercules
Im Gegensatz zu Ricarda kenne ich den Disney Zeichentrickfilm und ich muss sagen, ich vergöttere ihn auch noch heute, ganze 27 Jahre (!) nach seiner Veröffentlichung. Ich liebe die Charaktere, die Handlung und vor allem die Songs. Das alles katapultiert mich sofort in eine Kindheitserinnerung, bei der mir sehr wohl ums Herz wird.
Ich habe mich also darauf eingestellt, wieder als 9-Jährige zwischen den Zuschauern zu sitzen und lauthals mitzusingen. Leider traf weder das Eine noch das Andere zu …
Zuallererst möchte ich den Schauspielern meinen höchsten Respekt zollen, welche sich während der Aufführung die Seele aus dem Leib gesungen und gespielt haben. Einige kannte ich schon aus dem Hamilton Musical. Als ich erfahren habe, dass Benét Monteiro die Rolle der Hauptfigur übernimmt, freute ich mich sehr.
Aber auch wenn die Darsteller alles geben, hilft das eher wenig, wenn das Buch schwach ist.
Es gab einige Änderungen im Vergleich zum Film. Die, die wohl am stärksten auffiel, war das Streichen eines ganzen Charakters. Und zwar die Rolle des Pegasus. Ein wirklich sehr mutiger Schritt, da wir alle das zynisch, geflügelte Pferd lieben gelernt haben. Ich kann allerdings durchaus verstehen, dass es in einer Musical-Aufführung wenig Funktion hätte. Denn seien wir mal ehrlich: Die Story hat Pegasus weniger vorangebracht.
So weit, so gut. Einige Veränderungen kann ich verkraften, andere eher weniger ….
Denn einige Abwandlungen machen in der Musical-Version weniger Sinn. Zum Beispiel war Meg schon vor Hercules Geburt in der Unterwelt bei Hades. Da fragt man sich am Ende schon, wie hoch die Age-Gap bei den Beiden ist. Der Kampf gegen den Titanen, sowie die Erlangung des Göttlichen wurden komplett umgeschrieben. Daraus wurde leider ein flacher und sehr unlogischer Abschluss der Geschichte.
Vieles wirkte als Wink mit dem Zaunpfahl, oder mehr ein Schlag über den Kopf. Subtile Liebenswürdigkeit gab es kaum. Das fand sich leider auch wenig in den Kostümen wieder. Gute Ideen wurden nicht durchgezogen. Zum Beispiel hat Hades Kleidung am Anfang gedampft. Warum es das nicht mehr getan hat, wurde nicht erklärt.
Auch hatten die Kostüme der Besetzung antike, sowie teils modernen Einflüsse. Das brachte mich leider auch nicht in das Feeling der griechischen Mythologie.
Was wieder eingeschlagen hat, waren die Auftritte der Musen. Die Destiny’s Child der Antike. Bei ihnen hat einfach alles gepasst. Je nach Situationen sind sie als Amazonen aufgetreten, mal als Cheerleader, mal in altgriechischer Toga. Ihr Gesang war geballte Energie und hat einem fast vom Hocker gerissen. Dass sie an der einen oder anderen Stelle schwerer zu verstehen waren, fand ich zwar schade, aber zu verkraften.
Zu meiner größten Enttäuschung wurden die Lyrics der Songs geändert. Das tolle Lied „Ich will keinen Mann“ wurde mit weniger feministischen Zeilen ausgerüstet und heißt jetzt „Nein, ich bin nicht verliebt!“.
Fazit
Wer kein Hercules Fangirl ist und mit geringen Erwartungen hereingeht, kann ein schönes Event mit Kindern genießen. Bedauerlicherweise fehlten für mich das Herz und die Liebe zum Detail, für die Disney eigentlich bekannt sind. Obwohl das Grundgerüst geblieben ist, hat das Umschreiben der Story mein 9-jähriges-Ich vieles verdorben. Ich zu meinem Teil, als 36-jährige Frau setz mich gleich vor dem Fernseher, um meine Nachbarn mit Hercules Songs zu beschallen.
Ich gebe deshalb 4 von 10 Punkten