Von Beate Geibel und Ricarda Eichler
Die bedrückende Dokumentation WELCOME TO SODOM – DEIN SMARTPHONE IST SCHON HIER läuft seit 02. August in den deutschen Kinos. Beate und Ricarda habens gesehen und geben euch hier einen Eindruck vom Film.
Zum Inhalt
Rund 250.000 Tonnen ausrangierte Computer, Smartphones, Drucker und andere elektrische Geräte türmen sich zu einem riesigen Berg: Agbogbloshie – Accra, Ghana, ist eine der größten Elektro-Müllhalden der Welt. Rund 6.000 Frauen, Männer und Kinder leben und arbeiten hier. Sie selbst nennen diesen Ort „Sodom“. In WELCOME TO SODOM – DEIN SMARTPHONE IST SCHON HIER zeigen die Regisseure Florian Weigensamer und Christian Krönes das Leben und Überleben auf „Europas“ größter Müllhalde und porträtieren in beindruckenden und fast apokalyptischen Kinobildern die Verlierer der digitalen Revolution.
Ricarda sagt…
Die Doku folgt diversen Menschen die in Sodom leben und zeigt deren Alltag. Darunter ein homosexueller Mann, welcher aus seiner Heimat fliehen musste um sein Leben zu retten, ein Mann der davon träumt sich durch den Schrotthandel einen Ausweg nach Europa zu erkaufen und einem kleinen Mädchen, dass sich als Junge ausgibt. Von diesen unterschiedlichen Charakteren wird gleichzeitig die gesamte Handlung getragen. Wir sehen nur sie und hören praktisch nur ihre Worte.
„Von dort kommt alles und dorthin geht alles und eines Tages landet es wieder bei uns.“
Das ist es, was der Doku zunächst eine ungewohnte Note verleiht. Es gibt keinen Erzähler. Niemanden der einen zunächst einführt und einem das wie wo was warum erklärt. Ein kurzer Text leitet ein, der Rest sind authentische Bilder. Und die haben es in sich. Farblich ist der gesamte Film in eher gedeckten Tönen gehalten. Prägnant durchbrochen vom Feuer, welches genutzt wird um an die Rohstoffe im Schrott zu gelangen. Im gesamten Film sieht man quasi kein grün, keine Pflanze. Tristes Ödland proudly brought to you by Europe (mostly).
Das ist ganz schön harter Tobak. Leider finde ich stellenweise hätte etwas mehr Struktur und Hintergrunderzählung geholfen die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Die Thematik interessiert mich fraglos. Aber wenn man Minutenlang nur Menschen dabei zusieht durch Schrott zu wandern, dann driftet auch das interessierteste Auge mal ab. Zumal ich das Gefühl nicht los wurde, dass der Film doch irgendwie ein wenig in kolonialistisch-rassistisch verankerte Klischees hinein spielte.
Es ist ohne Frage für einen bekennenden Teilzeit Öko-Hippie wie mich beklemmend diese Bilder auf meinem Laptop zu sehen, den ich am liebsten übermorgen in die Tonne hauen würde, nun wohlwissend, dass er wahrscheinlich in SODOM landen würde. Leider finde ich dennoch, dass man die Thematik auf jeden Fall informativer hätte darstellen können und vielleicht sollen.
Daher von mir nur 7 von 10 Punkten.
Beate sagt…
Letzte Ausfahrt Agbogbloshie. Die technologischen Errungenschaften von heute, sind der Elektro-Schrott von morgen.
Handys, Computer, CD Player, Radios, Fernseher, Monitore, was bei uns einmal aussortiert, somit aus dem Bewusstsein seiner ehemaligen Besitzer verschwunden ist, wird illegal in Länder wie Nigeria oder Ghana transportiert, repariert und/oder die Rohstoffe betreffend, ausgeschlachtet und gelangt so wieder in den Kreislauf, an den Ursprung, zu den Herstellern, den großen Technologiekonzernen.
Bereits 2015 hatte Jan Kerckhoff in seinem BR-Dokumentarfilm “Der Glanz der Schattenwirtschaft” (zu finden bei YouTube) sich des Themas, am Beispiel von Lagos, Nigeria, angenommen. Die Doku verfolgte inhaltlich aber einen anderen Ansatz, als der hier vorliegende Film WELCOME TO SODOM.
Kerckhoff hatte die These der “informellen Wirtschaft” des US Wirtschafts-Autors Robert Neuwirth aufgegriffen, der sich für Schwarzmärkte in Entwicklungsländern ausspricht, da sie seiner Meinung nach, dort eine halbwegs funktionierende Infrastruktur ermöglichen, die es ohne diese Schwarzmärkte gar nicht gegeben hätte.
Neuwirth errechnet, dass diese Schwarzmärkte zehn Billionen Dollar jährlich erwirtschaften und somit zu einem echten Wirtschaftsfaktor herangewachsen sind. Florian Weigensamer & Christian Krönes zeigen mit “Welcome to Sodom” eine verstörendere Seite dieser Schattenwirtschaft, das Überleben an einem der giftigsten Plätze der Welt.
WELCOME TO SODOM ist ein intensives, dennoch behutsames dokumentarisches Porträt, das die Menschen selbst zu Wort kommen lässt, dabei wird auf eine konfrontative Interview-Form verzichtet. Stattdessen sprechen die Menschen über Ihre Träume, ihre Wünsche und darüber, wie sie ihren täglichen Kampf mit den Umständen bewältigen.
Was beide Filme eint, ist die behutsame, respektvolle Annäherung an die Menschen, die auf und von diesen Müllkippen leben und sie zeigen ihren beeindruckenden Überlebenswillen in einer verseuchten, fast apokalyptisch anmutenden Welt, ohne dabei übergriffig zu werden.
10/10 Goldblums
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